Ich stehe bei bestem Sonnenschein draußen in unserem Vorgarten und schnibbele in mehreren Lagen den Flieder runter. Der soll ganz weg, weil er schon voller Efeu ist und der dahinter stehenden Rose die Sonne wegnimmt. Ein vorbeifahrendes Auto wird langsamer und beginnt, auf der anderen Straßenseite einzuparken.

Dort, auf der anderen Straßenseite, ist eine katholische Grundschule und es ist nicht unüblich, dass dort Leute kommen und gehen. Warum man so lange braucht, um sein Auto auf dem völlig leeren Seitenstreifen zu parken, ist eine andere Frage. Und es kümmert mich wenig. Ich schleppe die abgetrennten Äste zur Seite, um sie an anderer Stelle klein zu schnibbeln. Sie werden Teil einer, äh, Art Hecke aus Gartenabfällen. Es gibt ein bestimmtes Wort dafür, aber das muss mir meine Frau immer sagen, ich kann mir das nicht merken 😉
Doch weiter im eigentlichen Thema: Ich zerre einen abgetrennten Zweig über den Bürgersteig, während eine ältere Dame aus dem Auto aussteigt, und ruft: „Entschuldigen Sie bitte!“. Oh, die meint mich! Es kommt zu einem Dialog, den ich hier leicht gekürzt wiedergebe:

Sie: „Machen Sie Gartenarbeiten?“
Ich, lächelnd: „Ja, für mich. Das ist mein Garten.“
Sie: „Ach so. Haben Sie nicht früher auch…?“
Ich: „Sie meinen vermutlich den Sohn meiner Schwiegereltern, der wohnte früher hier.“
Sie: „Ja genau, der hat doch so einen Haus- und Gartenservice und…“.
Ich: „das ist ja 30 Jahre her“ und ergänze, weil sie so guckt: „Der wohnt jetzt in Bremen.“
Sie, scheinbar ratlos: „Ach so.“
Ich wittere die Chance, Geld zu verdienen: „Suchen Sie denn jemanden?“
(nun kam viel Blabla, ich spule mal vor. Sie hatte immer einen, der hat ihr den Rasen gemäht und mit dem war sie dann auch gut befreundet, aber der kann das nun nicht mehr usw.)
Ich: „Nun, was würden Sie denn dafür bezahlen?“
Sie: „Der hat immer zehn Euro genommen.“
Nun schwieg ich einen Moment. Wir reden hier ja nicht über eine kleine Gefälligkeit sondern über Arbeit. Und würde sie das „offiziell“ über einen Gärtner oder einen Gartenservice buchen, dann würden die 10,- Euro nicht mal für die Anfahrt reichen. Ich sagte ihr, dass das ja nun sehr wenig sei, aber mit Mindestlohn etc. fing ich gar nicht erst an. Was ich denn wohl nehmen würde, fragte sie.
„20 Euro sollten es schon sein.“
Da guckte sie mich mit großen Augen an, fast schon empört: „20 Euro für ne Stunde Rasen mähen???“
Ich: „Mindestens.“

Sie würde sich das noch überlegen, meldet sich vielleicht wieder, bedankte sich und stieg wieder in ihr Auto. Zwei Minuten lang wendete sie ihr kleines Fahrzeug auf der breiten Straße und fuhr von dannen.

War das nun die Realität oder eine Ausnahme? Wissen einige Leute nicht den Wert von Arbeit zu schätzen? Was verdienen die selbst? Was müssen die fürs Geld tun? Ist Rasen mähen weniger wert als, äh, einen Drucker einzurichten? Ganz unabhängig von der Tätigkeit muss es doch immer einen Mindestwert für die Überlassung seiner Arbeitszeit geben. Würde man jeden Tag acht Stunden für je nen Zehner arbeiten, dann würde man in Vollzeit verhungern. Oder was übersehe ich?

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