Ich habe gestern Abend ca. drei Stunden Schachvideos geschaut und entsprechende Berichte etc. gelesen. Das wird euch bestimmt nicht wundern, denn der Lerigausche Stammleser weiß, dass ich mich schon immer (nebenbei) mit Schach beschäftigt habe (Klick). Nun schlagen besondere Ereignisse in der Schach-Welt neue und hohe Wellen.
Magnus Carlsen, Schachweltmeister seit 2013, wirft dem US-Spieler Hans Moke Niemann ganz aktuell vor, zu betrügen (Klack). Meine Meinung: Er muss es wissen.
Ich erkläre mal kurz, wie so ein Verdacht realistisch aufkommen kann: Um im Schach zu gewinnen, muss man irgendwas anders machen, als die „üblichen“ Züge es vorsehen. Sonst wäre ja auch jedes Spiel gleich. Die Schachprofis berechnen dafür nicht nur möglichst viele (Halb)Züge im voraus, sie testen auch ihre eigene Strategie vor einer Partie; es werden spezielle Züge und mögliche Reaktionen geübt. So lernt man, Überraschungen zu vermeiden und angemessen zu reagieren. Denn, nicht zu vergessen: Die Uhr läuft immer mit und jede Minute, in der man nicht überlegen muss, ist wertvoll!
Und es ist seit Deep Blue und der folgenden Entwicklung jedem klar, dass ein Computer all diese Möglichkeiten rasend schnell durchrechnen kann: Die Engine ist dem Menschen klar überlegen. In bestimmten Schachsituationen muss ein Mensch eben innehalten und einige Zeit nachdenken. Hier werden dann möglichst viele Optionen durchdacht. Man weiß also auch, und das ist hier wichtig!, wie man auf einen bestimmten Zug eines Gegners reagiert hätte, der dann doch nicht kam. Und es gibt Züge, die macht ein Mensch nicht (außer, er macht einen „Fehler“*), weil man das gar nicht so weit berechnen kann.
Jetzt kommen wir zum Punkt: Carlsen ist aufgefallen, dass Niemann bei entscheidenden Situationen gar nicht so lange überlegt, wie es angemessen wäre und dennoch verblüffende Züge aufs Brett stellt, während er gar nicht so hochkonzentriert wirkte.
Anderen ist in Interviews aufgefallen, dass Niemann auf Nachfrage gar nicht sagen konnte, welchen Zug er „eigentlich“ als Plan B hatte, als ein Gegner mal einen – für alle – unerwarteten Zug machte und einen ungedeckten Springer nicht schlug. Hans Niemann konnte das nicht konkret beantworten.
Natürlich wissen all das Veranstalter, Ausrichter etc. und bei allen Turnieren gibt es radikale Maßnahmen: Alle Teilnehmer werden mit Metalldetektor usw. abgescannt, abgetastet, als ginge es aufs Rollfeld und nicht ans Schachbrett, Funkwellenstörer sind in den Säälen, Kameras überall, die Partien werden Zeitversetzt ausgestrahlt (Ein Spieler hatte mal einen Helfer im Publikum, der sich je nach gewünschtem Zug an einer anderen Position im Saal befand). Sogar und gerade bei Online-Turnieren! Bobby Fischer hat es damals gegen Spassky schon gewusst… Es sind eigentlich alle Möglichkeiten des Betruges ausgeschlossen. Wie soll das also gehen?
Als ich die neusten Informationen gestern in mich aufnahm, da fiel mir eine konkrete Möglichkeit ein, weil ich vor vielen Jahrzehnten(!) mal ein Buch las: Der Las Vegas Coup. Dort geht es zwar um Roulette, aber die Idee passt trotzdem: In den siebziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts bauten Studenten das EDV-Design eines Apple I (meine ich mich zu erinnern) in ein Paar Schuhe samt Tastern, die mit den Zehen bedient wurden. Was damals eine kniffelige und geniale Meisterleistung war, das sollte doch heute wesentlich einfacher gehen? Zumal es sich bei den zu übertragenden Daten ja nur um die Brettpositionen handelt: e2e4, mehr braucht es nicht. Die 64 Felder könnte man auch mit 6 Bits darstellen, oder Hexadezimal… ich weiß nicht, wie flott z.B. ein RasPi Zero real ist, aber es wird ganz sicher einen Mini-Rechner geben, der Leistungsfähig genug ist und auf dem vielleicht eine modifizierte Version der Fritz-Engine laufen kann. Zumal ja der Hans Niemann kein Doofer ist. Schon vor Covid war sein ELO bei 2488, das ist gewaltig!.
Wenn Niemann also anbietet, ggf. auch nackt zu spielen: Zieht ihm auch die Schuhe aus (und guckt mal rein)!
* Eine Schachweisheit lautet: „Der zweite Fehler verliert“
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