Heute, am 31.03.2020 wird das SETI@home-Projekt beendet bzw. „eingeschläfert“:
Als ich das erfuhr, da wurde ich schon ein wenig sentimental. Ich mache da zwar schon viele Jahre nicht mehr mit (exakt seit dem die Classic-Variante abgeschaltet wurde und nur noch Boinc ging), aber das war damals schon eine lustige Zeit, an die ich mich gern erinnere. Ich hatte mich spontan dazu angemeldet und die Software einfach mal auf einem Rechner gestartet und das dann meinem Schwager erzählt. Dazu sollte man wissen: Mein Schwager wohnt in Bayern, wir telefonierten zu der Zeit fast täglich ne Stunde und wir waren damals echt Linux-lastig. Auf jeden Computer, den wir in die Finger bekamen, wollten wir ein Linux installieren und schafften es oft auch (egal, wie viel Nächte das dauerte (ich sag nur SIM710, für SCSI und damals nicht im Kernel und nicht in einem Paket der 12 Slackware-Disketten)). Wenn ich mich recht erinnere, dann waren anno 2002 schon CPUs mit deutlich über 1 Ghz up to date, Sandy und ich hatten aber Haufenweise (wirklich!) noch Dinger mit P100 und Dergleichen rumstehen. Nein, ein originaler P60 war nicht mehr dabei, das weiss ich genau 😉
Als DSL-Router hatte ich einen Fli4L in einem Big-Tower mit 386er und nur einer NE2000-Kompatiblen drin (statt zwei, wie dringend empfohlen, aber wir hatten ja nix). Irgendwelche Lauffähigen 486er hatten wir auch noch in den Ecken, aber mit dem SETI-Client sah man, wie lahm die wirklich waren, egal was AMD da drauf schrieb (Der Am5x86-P75 war ein 486er mit 133Mhz Taktung)…
Also liess ich die ersten WUs (Workunits = Arbeitseinheiten) rechnen und freute mich, als ich die ersten Ergebnisse hochladen konnte. War es so, dass man immer nur mehrere hochladen und neu bekommen konnte, nicht einzeln? Auf jeden Fall sprach ich mit meinem bayrischem Schwager am Telefon darüber und es startete eine unausgesprochene Wette zwischen Sandy und mir, wer denn mehr WUs liefern kann. Maßgeblich war immer die Statistik auf der SETI-Seite (die gibts noch immer!), die Platzierung dort war unmanipulierbar! Ich kann echt nicht mehr sagen, wie lange ein Pentium 100 Mhz für eine WU brauchte, aber in meiner Erinnerung waren das so ca. 18-20 Stunden? Leider habe ich gerade keinen der alten Rechner griffbereit, um das zu prüfen… (ich will nicht bestreiten, dass aufm Dachboden noch ein Rechner inkl. der Software von damals rumsteht).
Wir rüsteten auf, was nur ging, ohne zu investieren. Denn da waren Sandy uns nicht nur ähnlich sondern gleich: Wir konnten und wollten kein Geld in moderne Hardware investieren, es gab doch genug Rechner, die einem geschenkt wurden? Und dank des damaligen, recht simplen Systems der Takteinstellung konnte man so manche Übertaktung testen, je nach Möglichkeiten des vorhandenen Mainboards, wie z.B.: Wenn ein 120er mit 3x 40Mhz lief, dann ging der bestimmt auch mit 4 x 33 als 133er? Immerhin 10% mehr… Und mit etwas Glück noch Dank einer fetten Alu-Kühlrippe passiv, ohne Quirl? Dann war das schnell und leise: = gut, denn das Teil musste mindestens einen Tag durchlaufen! Aber weniger Systemtakt (33 < 40) machte die Kiste auch langsamer… das waren spannende Jumper-Umsteckphasen. Megahertz-technisch waren wir damals schon Vobis-geimpft, die haben das doch erfunden?
Irgendwann zu der Zeit fing ich auch bei T-Online an, oder besser anders rum: Als ich im November 2002 meinen Job bei T-Online anfing, da war ich ja schon einige Monate mit SETI beschäftigt, denn meine erste Urkunde für 100 WUs bekam ich im Juli 2002. Dann kamen noch weitere für 500 und z.B. für 750 (da hatte ich aber schon 761 gerechnet, ich habs auf der Urkunde notiert) und ich weiss noch, dass ich mir richtig Mühe gegeben hatte, um zu meinem Geburtstag die 1000 voll zu kriegen. Und ich habe es geschafft, wie die Urkunde belegt. Die Bilder von den Urkunden habe ich übrigens erst heute Abend gemacht, mit meinem fast zeitgemässen iPhone 4S. OK, das mit dem iPhone ist eine andere Geschichte, aber die Urkunden, das muss ich kurz erzählen:
Angela und ich hatten uns vor laaanger Zeit einen Schlafzimmerschrank gekauft, die Größe so circa drei Meter lang und sehr hoch. Das war einer von den Schränken, die man gleich dort aufbauen kann, bzw. muss, wo er stehen soll, weil man alles von hinten unten nach vorn und oben aufbauen kann. Feine Sache. Und der gute Schrank hat das mindestens schon dreimal mitgemacht! Ich weiss leider nicht mehr, wann genau wir den Schrank gekauft haben, aber allein in diesem Haus, wo wir seit 25 Jahren wohnen, ist der Schrank zweimal umgezogen. Als wir seinerzeit mit unserem Schlafzimmer „von unten nach oben“ gezogen sind, da blieb der Schrank erstmal da, wo er war. Statt Kleiderschrank wurde er nun EDV-Lager und Arbeitsplatz: In geeigneter Höhe baute ich in jedes der drei Abteile eine Arbeitsplatte, auf der ein Rechner samt Monitor etc. stehen konnte. Der Schrank hatte Schiebetüren und an der mittleren Tür war ein großer Spiegel, auf den Angela verständlicherweise nicht verzichten wollte. Also hängte ich ihn aus und stellte ihn nach oben in unseren neuen, begehbaren Kleiderschrank.
Und als ich meine Urkunden von SETI bekam und auch angemessen vorzeigen wollte, da boten sich die Schranktüren im Arbeitszimmer an, wo sich schon allerlei sammelte. Ich klebte die Urkunden dort an und jede weitere neue darunter. So konnte die jeder sehen, der in den Raum kam.
Irgendwann vergrößerten wir noch mal unseren Wohnraum und zogen in ein größeres Schlafzimmer. Im Nebenraum war noch Platz für eben jenen Schrank, der dann wieder als Kleiderschrank dienen sollte: Ich räumte meinen ganzen EDV-Kram raus, entsorgte dabei einiges, baute den Schrank unten ab und im Obergeschoß wieder auf. Alle an den Türen aufgeklebten Erinnerungen wanderten mit und hängen dort noch immer, nach all den Jahren.
Was machte SETI? Sandy und ich waren Mitte 2002 so einigermassen im Gleichgewicht: Mal war einer durch eine gute Idee vorne, mal der andere, weil er einen weiteren Rechner geschenkt bekam. Und wir brauchten dazu keine vollständigen Computer! Ein Mainboard mit CPU, ein Netzteil (40 Watt, reicht dicke), ein paar RAM-Riegel (habe ich heute noch Beutelweise hier, EDO-RAM!!!!), ne kleine HD und das alles aufm Fussboden lose zusammengesteckt. Kurz Monitor und Tastatur ran und wenn alles lief, dann konnte der allein vor sich hinrechnen und den Raum nen halben Grad erwärmen. Ich machte das so, Sandy ebenso und manchmal noch abenteuerlicher, falls das überhaupt ging. Einige Zeit hatte ich auch einen Mac LC mit ner 68020er CPU(?) und Netzwerkkarte mitlaufen, aber das einzige, was ich darüber noch weiss: Die Software sah toll aus, während sie rechnete, schaffte aber nicht viel.
Es kam aber der Tag, an dem ich uneinholbar in Führung ging, und das war ein legendärer Moment: Sandy hatte bei der Post gelernt und war als Beamter noch immer da, mittlerweile „Telekomer“. Ich war ja relativ frisch bei T-Online, die waren damals noch komplett eigenständig (und eine tolle Firma, aber auch das ist eine andere Geschichte). Auf jeden Fall hatten Sandy und ich beruflich auf einmal immer mehr Gemeinsamkeiten, tauschten uns auch öfter aus.
Ich, bei T-Online, musste auch irgendwen beeindruckt haben, denn Mark und ich durften, obwohl noch First-Level-Kundenberater, die IT-Abteilung (IVS/APS) bei einer umfangreichen Monitor-Umrüstung unterstützen: Wir bekamen Zettel mit Call-Center-Arbeitsplatz-Listen, bei denen wir nach einem ausgeknobeltem System die Röhrenmonitore ab- und LCDs anbauen sollten und sechs Wochen Zeit.
Nach zwei Wochen waren wir fertig, obwohl wir… egal. Jetzt kommt der Clou: Ich hatte eine bootfähige Diskette mit Linux dabei, auf welcher auch der SETI-Client Platz hatte. Also habe ich bei jedem einzelnem Rechner, bevor ich die Röhre abzog, das Linux gebootet und mein Seti-Skript gestartet. Das holte sich in meinem Namen eine WU und begann zu rechnen. Wenn es fertig war, hat es (über die vorhandene Netzverbindung, darf ich eigentlich gar nicht erwähnen, aber das ging damals) die WU abgeliefert und ne Neue geholt. Das ganze System lief im RAM. Erst wenn irgendjemand kam und den Rechner neu startete (oder eben ausschaltete), war es vorbei. Und das konnte im besten Fall eine Woche dauern, im schlechtesten Fall eine Schicht, also gute acht Stunden. Die Rechner waren damals eigentlich schon alte aber solide PIII-700er und aber auch schon neuere (weiss nicht mehr, 1,2Ghz?), die schafften eine WU in… weiss ich auch nicht mehr, aber schneller als jeder P120 🙂
Damit spulte ich mein SETI-Ranking in Rekordzeit in ungeahnte Höhen und Sandy sprach immer seltener davon, je öfter er in den Statistiken sah, wie ich davon schoss.
Und ob ihr es glaubt oder nicht: Das alles habe ich straff gekürzt und könnte viel mehr erzählen. Ich wollte das aber nicht mehrteilig machen, Meine SETI-Story ist nunmal eine Workunit.
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