Rechtzeitig vor Weihnachten: Nachdem hier vor einigen Jahren die Geschichte der Weihnacht nüchtern und Faktenreduziert erzählt wurde, hat Lerigau nun wieder knallhart recherchiert und präsentiert die schonungslose Wahrheit, damit es ein Ende hat mit dem verzehrten Bild des (natürlich ausgedachten) Märchens um die niedlichen Rentiere vor dem Schlitten des Weihnachtsmannes.
Was wirklich geschah:
Am Nordpol wohnt ja nicht nur Super-, sondern dort ist auch die Zentrale vom Weihnachtsmann. So weit nichts neues. Damals, als der Weihnachtsmann seinen Job anfing, da ging alles noch viiiel gemächlicher als heute zu. Es gab weniger Menschenkinder auf der Welt, es gab noch lange keine Flugzeuge und Autobahnen und keine Hochhäuser oder Zentralheizungen und Santas Schlitten wurde von Eisbären gezogen.
Eisbären? Werdet ihr fragen? Jaha, da war noch nix mit Dasher und Vixen! Diese jene Schlittenziehenden Eisbären hatten im Gegensatz zu den späteren Schlittenzugtieren auch keine Namen. Für Santa war einer wie der andere und Hauptsache, sie machten ihren Job. Und weil Eisbären ja nun echt mal behäbige Tiere sind, streute Santa denen ein Pulver übers Fell, welches die Bären etwas leichter machte, so dass diese den Schlitten schneller ziehen konnten (später mehr dazu). Rentiere gab es damals auch schon. Nicht freilebend am Nordpol, nein, sondern eingepfercht in ein Gehege, denn sie wurden als Eisbärenfutter benötigt. So ein weißer Polarhalbtonner lebt nicht von Luft und Liebe allein! Das war für den Weihnachtsmann bzw. seine Stallburschen (allesamt Zwerge oder Gnome oder wie die heissen, so kleine Typen halt) sehr praktisch: Denn die Rentiere vermehrten sich natürlich auch und so musste man nur immer für ausreichend Heu sorgen und hatte damit automagisch genug Futter für die Eisbären. Und eigentlich waren das am Nordpol eher Karibus, aber kein Mensch kannte den Unterschied oder interessierte sich dafür (es wusste ja auch damals und bisher keiner, dass die Viecher am Nordpol als Lebendfutter gehalten wurden). Den Bären war das allemal recht, denn sie sind Allesfresser.
Eines Tages aber war einer der Stallburschen etwas schlampig, weil er Tags zuvor zu tief ins Punschglas geschaut hatte und verschloss das Tor zum Rentiergehege nicht ordentlich. Das neugierigste der Rentiere stupste mit der Nase dagegen und das Tor klappte langsam und lautlos auf (seit dem das bekannt wurde, baut man diese Tore so, dass sie nach innen aufgehen…). Es war dunkel. Die Eisbären schliefen in ihrer Höhle. Die Stallburschen waren wieder mit ihrer nächtlichen Punsch-Gesellschaft beschäftigt. Und Santa liess sich sowieso selten draußen blicken. So tapsten nach und nach die Rentiere ins Freie. Ihnen war klar: Wenn sie diese Chance ergriffen, dann wird es vorbei sein mit dem Gefressen-werden! Wer will das schon? Dann lieber flüchten und sein Glück in der Ferne – z.B. Bremen – suchen. Was besseres wird man immer finden. Damit alle mitkommen konnten, wollten sie den Schlitten nehmen, weil dieser ja innen viel größer als außen ist und so alle Rentiere verstaut werden konnten. Die sechs, die den Schlitten ziehen sollten, suchten nach der Flasche mit dem Pulver. Sie wussten nicht genau, was das sollte, aber da Santa das immer über die blöden Eisbären streute und die danach echt schneller laufen konnten, wollten sie das auch nehmen.
Nach dem alle im Schlitten Platz gefunden hatten (was dann doch nicht so einfach war, denn die Geweihe verhakten sich immer miteinander) bestäubten sich die ziehenden Rentiere gegenseitig mit dem Pulver. Dann schlüpften sie in das Zaumzeug und rannten los, bevor jemand sie aufhalten konnte.
Aber, was war das? Nicht nur, dass sie den Schlitten wirklich mühelos ziehen konnten, nein, ihre Hufen fanden auch gar keinen Widerstand auf dem Boden!? Santa dachte immer, dieses Pulver sei so eine Art Quick-Slimfast, welches die Eisbären eben etwas leichter macht, aber in Wahrheit war es das gleiche Zeug, welches Peter Pan und Tinkerbell benutzten. Die Bären waren einfach zu fett zum fliegen, doch die Rentiere hoben Feengleich vom Boden ab und schwirrten samt Schlitten durch die Luft.
Einer der Stallburschenzwerge, der gerade hinter einer Eisscholle am pinkeln war, verfluchte den Rum im Punsch, als er den fliegenden Schlitten am Himmel erspähte. Das konnte doch nicht wahr sein! Aber doch: Das klingen der Glöckchen am Schlitten, in der Luft noch viel lieblicher anzuhören (obwohl Santa das Gebimmel nach all den Jahren eigentlich aufn Sack ging), ließ alle zum Himmel aufschauen. Auch Santa, der am Fenster stehend nach oben schaute und wohl am meisten erstaunt war: „Herrgott, die fliegen ja! Warum hat mir das denn keiner gesagt, das ist doch viel einfacher als mit den blöde watschelnden Eisbären!“ Hier kam der Praktiker im Weihnachtsmann durch, denn natürlich fand er die gefährlich aussehenden Bären vor seinem Schlitten eigentlich total cool.
Nach einigen Wirrungen, diplomatischem Austausch und politischen Zusagen kam es, dass der Weihnachtsmann die Eisbären in die Freiheit entlassen konnte und stattdessen die Rentiere als Schlittenantrieb verwendete. Insgeheim waren darüber auch die Zwerge froh, denn ganz aus Versehen wurde ab und zu auch mal einer von denen gefressen. Und über das neue Punsch-Verbot musste man noch mal reden.
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