Wenn ich mal neue Kleidung benötige (was je nach Wahrnehmung von meiner Frau oder mir unterschiedliche Zeitpunkte sind), dann fahre ich irgendwo hin, wo es sowas gibt, gucke, was mir sowohl optisch als auch preislich zusagt und ob es mir passt und kaufe das. Dann bin ich wieder weg.

Ich habe nieee verstanden, warum Klamotten-Kaufen länger dauern muss. Warum soll man in verschiedenen Läden verschiedene Sachen angucken und gar anprobieren, obwohl alle Beteiligten wissen, dass dieses Teil auf keinen Fall in Frage kommt?
Jetzt ist die Hochzeit meines Sohnes und ich brauche ein neues weisses Oberhemd. Nicht, weil ich keins mehr hätte, aber das klare Urteil meiner Frau „DAS geht ja wohl gar nicht!“, schloß unmittelbar aus, eines von den vorhandenen zu nehmen. Ich habe mich lange davor gedrückt, aber morgen ist nun die Hochzeit und ich musste handeln. Meine letzte Hoffnung war, dass meine Frau mit mir loszieht und ich das im Schlepptau als lebendes Model (immerhin muss das Hemd ja mir passen) irgendwie durchstehe. Aber jetzt wurde ich alleine losgeschickt. „Fahr doch eben nach Bruno Kleine“. Ich hasse Bruno Kleine. Ein riiiiiesiger Laden und kaum Hinweisschilder, wo sich was befindet. Also blicke ich mich noch im Eingang stehend erstmal um, wo denn „meine“ Ecke sein könnte. Ah, da sind Regale mit Oberhemden. Aber aus irgendeinem mir nicht bekannten Grund gehören Oberhemden zu den Kleidungsstücken, die man nicht einfach anprobieren kann. Sorgsam gefaltet und mit dutzenden gut versteckten Nadeln zusammengehalten hat man keine Chance, zu erkennen, ob das Hemd einem passt oder steht und was vielleicht der Unterschied zu einem anderen Hemd ist. So ziemlich alle anderen Klamotten sind aufgebügelt und Anprobebereit. Und damit ist der Oberhemden-Mythos noch nicht zu Ende: Naaatürlich haben die irgendwie andere Größen und sind eng verwoben mit der Kragenweite: „Wenn du son Hals hast, dann sind deine Arme soo lang und deine Taille hat diesen Umfang“ oder so ähnlich. Ich habe nie versucht, das zu durchschauen. Muss ich auch gar nicht, bei Bruno Kleine kann man ja Beratung erwarten!
Ich stelle mich also ratlos in die Runde guckend hin und suche nach Menschen, die meinen Blicken ausweichen, sich verstecken, geschäftig tun. Mit der schwachen Hoffnung, gleich spricht mich jemand an, ob ich Hilfe möchte. Nix da. Pustekuchen. Ich stehe doof da und nix passiert. Ich hasse Klamotten kaufen. Während der Warterei male ich mir im Kopf eventuell gleich anstehende Gespräche aus. „Wie, sie wissen ihre Größe nicht? Sowas weiss man doch!“ Die älteren Verkaufsdamen schaffen es dann noch, mich von oben herab anzuschauen, obwohl sie zwei Köpfe kleiner sind. Na gut, sie gucken auch mehr so um die Ecke, ihr wisst schon. Und ich muss mir dann solche Sätze verkneifen: „Hör mal Puppe, dafür bist du doch da. Nun hör auf zu glotzen, mach deine Arbeit und hol mir eben was passendes ran. Aber beeil dich, ich will raus hier.“
Sowas sage ich natürlich nicht. In diesem Fall hatte ich nicht mal die potentielle Chance dazu, denn es kam keine(r). Ich stand dort nach meinem Ermessen ziemlich lange rum und habe klar signalisiert, das ich nicht weiter weiß, aber offenbar hielt man mich nicht für Beratungswert oder ich bin zu ungeduldig… Ich verliess den Laden mit leeren Händen und war froh, wieder an der frischen Luft zu sein.
Und nun? Klamottenläden gibt es genug in der Stadt. Aber ich tingele jetzt sicher nicht durch x Läden und guck, was geht. Davon abgesehen, dass in Läden wie New Yorker oder Jeans Fritz hauptsächlich Hemden vom Typ Hawaii, Country oder Gangster angeboten werden, aber nix seriöses. Und bei denen komme ich mir noch verlorener vor, weil alles so auf „young style“ und flippicool getrimmt ist. Also fahre ich weiter bis zum Famila-Center. Dort gibt es ja alles. Und dort ist auch eine Adler-Filiale. In Größe, Ausstattung und Auswahl könnte es fast auch eine Bruno Kleine-Filiale sein, aber hier ist ein wichtiges Detail besser: Es gibt Größentabellen, mit denen ich was anfangen kann! Als ich zur entdeckten Hemdenabteilung schreite, steht dort gerade ein Herr und lässt sich bezüglich Hosen beraten. Prima, der ist bestimmt gleich fertig und dann kann die Dame mir helfen. Dachte ich. Aber aus irgend einem Grunde fühlte sich die Dame berufen, den Herren bis zur Umkleidekabine zu begleiten und kam nicht wieder. Ich habe schon Filme gesehen, die so anfingen, aber da waren die Darsteller… lassen wir das.
Nun stand ich wieder alleine dort. Mutig schritt ich die Regale ab und fand sogar was, das „mein Fall“ sein könnte. Und, hurra: XL! Das ist meins! Oder? Ich schaute noch in die Runde, ob ich irgendwelche Besonderheiten übersehen hätte, aber da waren keine weiteren Schilder, keine Puppen, welche die Ware demonstrieren… nix. Ist das denn Langarm? Kein Hinweis, dass es anders sein könnte. Weder an der Ware noch an der Verpackung noch am Regal noch auf dem Fussboden. „Naja, das würden die ja draufschreiben oder -malen“ dachte ich mir und latschte zur Kasse (die erstaunlich schlecht auffindbar ist, wenn man es nicht weiß). An der Kasse musste ich mich hinten an eine Schlange von sieben Frauen um die 60 Jahre anstellen, die alle irgendwelche Alltagsklamotten kauften. Klar, es ist Freitag Mittag, wann soll man das sonst machen. An der Kasse stand genau eine Angestellte, die in angemessenener Beschaulichkeit ihre Kunden bediente. Zwei Kollegen von ihr schafften es, hinter ihr durchzuhuschen, ohne die Schlange wahrzunehmen. Aber der dritte, ein relativ junger Mann, der öffnete dann eine zweite Kasse. Aus diversen Gründen, die ich jetzt nicht erwähne, ging es aber nicht schneller. Ich wartete nur auf zwei Dinge: Dass irgendein Arschloch von der Seite kommt und sich direkt vorn an der Kasse anstellt (dann hätte ich mal Dampf ablassen können) und das ich bald an der Reihe bin. Ich zahlte (nebenbei, wegen dem Wechselgeld: Kassierer müssen offenbar nicht gut rechnen können), bekam keine Tüte und durfte den Laden verlassen. Puuuuh.

Zuhause packte ich das Hemd aus und stellte fest: Kurze Arme. WTF? Wuuuuusaaa. Ich behalte es, mir doch egal. Ich hasse Klamotten kaufen, wirklich.

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